Landesrechtliche Pflichtmitgliedschaft auf Antrag als Verpflichtung im Sinne des § 6 I 1 Nr. 1 SGB VI?

BSG B 12 R 13/21 R

„Stellt eine auf Landesrecht beruhende Pflichtmitgliedschaft auf Antrag in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung eine „durch Gesetz angeordnete oder auf Gesetz beruhende Verpflichtung“ im Sinne von § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 SGB VI dar?“

Bundessozialgericht

Darüber darf ich heute sieben Jahre nach Beginn des Mandats vor dem Bundessozialgericht verhandeln.

Worum geht es?
Meine Mandantin ist Patentanwältin und hat sich vor rund 14 Jahren für eine solche Mitgliedschaft im Versorgungswerk Baden-Württemberg entschieden. Von der Auslegung im Sinne des Obersatzes hängt nun ab, ob diese Mitgliedschaft in den letzten Jahren (nur) eine zusätzliche Versorgung neben einer zwingenden Rentenversicherung in der Deutschen Rentenversicherung Bund ist oder ihre eigentliche Altersvorsorge, wie sie es seit Begründung der Mitgliedschaft im Versorgungswerk 2010 war und es der Plan der Mandantin war.

Warum muss das BSG darüber entscheiden?
Die Landschaft der berufsständischen Versorgungswerke ist leider sehr heterogen. Anders als berufsständische Kammern, die nach einheitlich bundesrechtlichen Regeln arbeiten, operieren die Versorgungswerke auf recht unterschiedlicher, landesrechtlicher Grundlage. Das führt zu einer Anzahl Merkwürdigkeiten. Eine davon ist heute wichtig:

Berufsrecht: Patenanwält*innen werden Mitglied in der (einzigen) Bundespatentanwaltskammer.

Versorgungsrecht:

  • Im Falle eines Kanzleisitzes in Bayern werden sie damit auch kraft (bayerischen Landes-) Gesetzes Mitglied in der bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung.
  • Fehlt ein solcher Kanzleisitz, entscheidet das jeweilige Landesrecht:
    • Hamburg und Nordrhein-Westfalen vermitteln kraft eines Staatsvertrags mit Bayern ebenfalls die Mitgliedschaft in der bayerischen Versorgungswerk.
    • Baden-Württemberg, Sachsen und Brandenburg haben fast textidentische Regeln, die eine Mitgliedschaft in den jeweiligen Rechtsanwaltsversorgungswerken möglich machen. Die Mitgliedschaft ist aber keine Pflicht, es besteht vielmehr ein Wahlrecht. Aber: Wenn dieses einmal ausgeübt wurde, kann das Versorgungswerk nur mit Aufgabe des Berufs wieder aufgegeben werden, muss also auf die Zulassung(en) verzichtet werden.
    • In den übrigen Bundesländern gibt es keine Versorgung für Patenanwält*innen.

Für die Frage, ob von der Versicherungspflicht in der Deutschen Rentenversicherung befreit werden musste, kommt es daher entscheidend darauf an, ob eine freiwillig begründete, aber nicht freiwillig beendbare Mitgliedschaft eine Pflicht ist.

Meiner Auffassung nach ist sie das: Charakteristisch für eine Pflicht ist weniger der Beginn (auf Antrag), sondern eher die Tatsache, dass man in der Versorgung bleiben muss und die daraus folgende Qualität der Absicherung. So verstehe ich weiterhin entgegen der Vorinstanz auch die Abgrenzung per obiter dictum in BSG B 5 RE 2/17 R vom 28.06.2018.